Raphael erzählt

Hi, ich bin Raphael, 58, Webdesigner bzw. Fotograf und Kerstin hat mich eingeladen auf ihrem Blog über mich zu schreiben. Sie meinte zwar, dass ich über Krankheiten und Behinderungen schreiben solle, aber ich werde es ein wenig anders machen. 😉

Wer bin ich

Ich habe nämlich einige Besonderheiten, die häufig auch als Krankheiten interpretiert werden. Und ich habe eine richtige Krankheit (PTBS – Traumafolgen), von der ich inzwischen hoffe, dass ich sie bald überwunden habe. Aber alles der Reihe nach.

Zunächst mal zu meinen Besonderheiten: Ich habe ADHS, bin hochsensibel und habe Probleme mich räumlich zu orientieren, sprich: ich kann mich in einer Dreizimmerwohnung auch verlaufen. Weder das ADHS noch die Hochsensibilität sind in meinen Augen Krankheiten. Grob gesagt – ohne hier jetzt eine Grundsatzdiskussion zu beginnen: Es gibt nun mal verschiedene Nervensysteme und nicht alle „Besitzer“ dieser Nervensysteme sind dazu geeignet von 9h – 17h in einem klimatisierten Büro zu sitzen und Bildschirmarbeit zu machen. Es gibt auf der Welt viele außergewöhnliche Menschen und gerade unter denen sind die so genannte „Krankheiten“ (ADHS, Autismus…) weit verbreitet.

Wer kann sich Einstein oder Mozart in einem 0815-Dienstverhältnis vorstellen? Ja, genau. Hätte man Einstein als Beamten im eidgenössischen Patentamt belassen, wäre er wahrscheinlich irgendwann an Langeweile gestorben. Was ich damit sagen will, das ist, dass es keinen Sinn macht Menschen zu kategorisieren und dann zu behaupten, wer nicht in einer bestimmten Kategorie drinnen wäre, der wäre krank.

Abgesehen von den „erfundenen Krankheiten“, gibt es dann natürlich auch richtige Krankheiten. Die Grenzen sind – gerade im seelischen Bereich – sehr fließend. Ich möchte hier auch keinerlei Urteil fällen, aber nachdem ich oben geschrieben habe, dass ich ADHS eben nicht als Krankheit betrachte, möchte ich doch darauf hinweisen, dass ich zwar kein Arzt bin, mir aber aufgrund meiner Geschichte trotzdem erlaube eine Meinung zum Thema zu haben.

OK, nach der langen Vorrede jetzt zu meiner richtigen Krankheit: Ich bin schwer traumatisiert. Ich hatte vor meiner Geburt und in den ersten Lebensmonaten sehr extreme Erlebnisse, die mein Nervensystem offensichtlich nicht verarbeiten konnte. Ich habe lange überlegt, ob ich diese Dinge hier erwähnen soll. Ich habe es bereits mehrfach probiert engen Freunden zu erzählen, die meisten meinten danach, dass sie es lieber nicht wissen würden. Ich persönlich habe also nicht das Problem darüber zu sprechen, es wird aber häufig auf der Empfängerseite als „unpassend“ erlebt.

Wenn das aber bereits unter Freunden schwierig ist, worin liegt dann der Sinn, es im Internet – quasi weltweit – zu veröffentlichen? Ich lasse das also lieber bleiben. Meine beste Umschreibung ist immer: Gegen meine Geschichte ist ein Shakespeare-Stück wie Macbeth ein Kindergeburtstag.

Es gibt viele verschiedene Therapien, die richtige zu finden ist schwer

Mein weiteres Leben war dann, wie man sich leicht vorstellen kann, nicht besonders einfach. Aber ich habe die Probleme relativ früh erkannt und Therapien angefangen. Manche waren großartig, ich kann z. B. meinen ersten Therapeuten (Analytische Therapie – C.G.Jung) gar nicht genug loben. Leider ist er nach mehreren Jahren in ein anderes Land gezogen und wir mussten die Therapie beenden. Aber ich habe weiter gemacht. Grob gesagt, gibt es kaum eine Therapieform, die ich in den nächsten Jahren nicht ausprobiert oder gemacht habe. Manche waren gut, manche haben nichts gebracht, insgesamt muss ich sagen, dass alle Therapien meinen Horizont ungemein erweitert haben. Ich möchte kaum eine missen.

Mit anderen Worten: Die Herausforderungen meiner Familie und meines Starts in das Leben haben mich geprägt und  ihre Bewältigung hat mich geformt.

So, jetzt kommen wir aber zum Wesentlichen: Man kann alles, was man erlebt auf zwei Arten interpretieren: Entweder man jammert und sagt, dass die Welt böse ist, oder man stellt sich der Herausforderung und wächst daran. Ich habe mich für Letzteres entschieden. Uns ich muss sagen, dass ich aufgrund meiner extremen Erfahrungen einen vollkommen anderen Blick auf das Leben habe, als die meisten Menschen. Ich würde sagen, dass er deutlich tiefer ist und ich das Leben aus einer sehr, sehr anderen Perspektive betrachte, als die meisten Menschen. Deren Sicht erscheint mir doch als sehr oberflächlich.

Und inzwischen ist es auch so, dass es Hoffnungen gibt, das Trauma komplett oder weitestgehend aufzulösen: Ich habe vor ca. einem Jahr damit begonnen „Traumasensibles Yoga“ zu machen. Das ist bis jetzt die Therapieform, die am meisten bringt. Allerdings muss ich zugeben, dass ich manchmal durch die Hölle gehe, wenn sich das Trauma stückweise auflöst. Aber – und das ist jetzt wieder die selbe Situation, aber positiv formuliert Jeder Quadratzentimeter Hölle, ist wieder ein extremer Erkenntnisgewinn. Ich möchte das Trauma also eigentlich auch nicht missen.

Aufgrund meiner Erfahrungen mit Krankheit, Trauma und Neurodiversität habe ich im letzten Jahr eine Agentur gegründet. in der “FoolsCompany” arbeiten wir bevorzugt mit und für  neurodiverse Menschen und/oder Menschen mit Behinderungen. Auf https://thefools.companygibt es mehr zu sehen!

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